Steinigt ihn…den Bundeshexer!


Verfolgt man die Berichte und Kampagnen rund um unseren Bundespräsidenten, so könnte man meinen, es ist Schlachtfest. Man fühlt sich ein wenig ins Mittelalter zurück versetzt, es zeichnet sich das Bild eines Präsidenten am Pranger ab, umringt von Bauern (symbolisch für die Akteure der Medien) und Viehhirten (symbolisch für die taktierenden Politiker aller Parteien), wie sie genüsslich – und froh, einmal aus ihrem tristen und grauen Alltag heraus zu kommen – faule Eier und so manch kleines oder größeres Steinchen auf ihr Oberhaupt werfen. Auch wenn sie alle selbst genug Dreck am Stecken haben, sobald der Boss Mist baut, fällt es leicht den hämischen Zeigefinger zu heben.

Krise und Euro werden als Themen ja nun langsam etwas langweilig, der Sport trottet auch nur vor sich hin, warum also nicht mal wieder medialen Jahrmarkt spielen?

Nun könnte ich mich entspannt zurück lehnen und zuschauen, wie Herr Wulff  demontiert wird, -denn auch ich könnte mir locker 10 bessere Personen für dieses Amt vorstellen, und ja, ich mag ihn einfach nicht-  aber so geht man einfach nicht miteinander um. Das einzige, was sich hier wirklich offenbart, ist das Lemminghafte und Unreflektierte unserer Gesellschaft und unserer vermeintlichen Meinungsmacher.

In dieser furchtbar offensichtlich inszenierten Hexenjagd werden so viele Fragestellungen und Themen, welche eigentlich einer reflektierten Diskussion bedürften, zu medialen Wurfgeschossen umfunktioniert, dass man sich die Frage stellen kann, an welcher schweren Grippe unser Zeitgeist eigentlich erkrankt ist.

Nehmen wir zum Beispiel das Schlagwort „Transparenz“: Hier erleben wir zur Zeit, wie es von einer bekannten „Zeitung“ zweckentfremdet wird, um die eigenen Schlammschlachten zu rechtfertigen, während sich der Präsident an einer Demontage im Sinne der „Vertraulichkeit von Telefonaten“ versucht. Man muss nicht Pirat sein, um zu wissen, dass diesem Thema eigentlich eine konstruktive und reflektierte Diskussion gewidmet sein sollte.

Oder schauen wir uns einfach die sich mahnend in Stellung bringenden Politiker aus erster, zweiter und dritter Reihe an, die nun mit mehr oder weniger geschicktem Taktieren nichts anderes versuchen, als ihren eigenen Profit aus dieser Sache zu ziehen. Das wäre ja noch halb so schlimm, hätten diese Hüter der Integrität nicht schon selbst das ein oder andere Skandälchen in ihrer Vita. Würde die Titanic darüber berichten, man würde es für Satiere halten.

Führt man sich vor Augen, dass die Mitarbeiter eines Discounters postwendend ihren Job los sind, wenn sie auch nur aus Versehen einen Euro veruntreuen (etwa, weil sie eine abgelaufene Banane verspeisen), kann man dagegen allerdings natürlich fragen, warum dieser Mann noch in seinem Amt ist. Aber wie man es auch dreht und wendet, dass Thema ist und bleibt komplex, und es ist bedenklich, ob die derzeitige Treibjagd wirklich ein angemessener Umgang mit dieser Causa ist.

Ich könnte nun so weiter machen, über die Würde dieses „hohen“ Amtes sinnieren, oder was diesem Amt angemessen ist und was nicht, aber was würde wohl passieren, wenn all die Besitzer dieser hoch erhobenen Zeigefinger, die selben Maßstäbe, mit denen sie Herrn Wulff gerade zur Schlachtbank winken, an ihrer Vita, ihrem Amt oder ihrem Mandat ansetzen würden? Der Bundestag wäre wohl leer.

Auch ich wäre froh, wir hätten einen anderen Bundespräsidenten, aber nicht auf diese Art und Weise.

In diesem Sinne, frohes Neues, es bleibt lustig!